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Kann man also Honoriger seyn als ich es bin??

Birgit Pargner, W. Edgar Yates (Hg.)

Kann man also Honoriger seyn als ich es bin??
Briefe des Theaterdirektors Carl Carl und seiner Frau Margaretha Carl an Charlotte Birch-Pfeiffer

Zum 150. Todestag des legendären Theaterdirektors Carl Carl (1787–1854) werden hier 46 im Deutschen Theatermuseum in München erhaltene Briefe zum ersten Mal ungekürzt veröffentlicht. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Briefe, die Carl selbst, der erfolgreichste aller Direktoren der Alt-Wiener Vorstadttheater, und seine Frau Margaretha in den Jahren 1828–1853 an die Dramatikerin und Schauspielerin Charlotte Birch-Pfeiffer schrieben.
1820–1825 hatte Carl das Isartortheater in München geleitet. Einen gemischten Spielplan nach Art dieses Theaters wollte er zunächst auch dem Wiener Publikum anbieten. Birch-Pfeiffer, mit der die Carls seit ihrer Zusammenarbeit in München befreundet waren, war 1828–1830 Mitglied von Carls Ensemble im Theater an der Wien. Während dieser Zeit schrieb sie ihre ersten – hier uraufgeführten – Schauspiele. In den Dreißigerjahren wurde Carls Repertoire von den satirischen Possen Nestroys dominiert, er versuchte aber, auch der Erfolgsautorin noch neue Stücke abzulocken. Als sie 1837 die Direktion des Aktientheaters in Zürich übernahm, erteilte er ihr praktische Ratschläge in einem scherzhaft formulierten „Theater Barometer”, das sein eigenes Hauptziel, das Theaterpublikum zu unterhalten, widerspiegelt.
Margaretha Carl, die seit Mitte der Zwanzigerjahre als Schauspielerin nicht mehr auftrat und die Carl einen großen Teil der geschäftlichen Korrespondenz abnahm, spielte an der Seite ihres Mannes eine einflussreichere Rolle als bisher bekannt war. Sie las eingereichte Stücke und besprach mit ihm Möglichkeiten der Bearbeitung. In ihren Briefen vermittelte sie dann klar Carls Intentionen und Urteilskriterien. Auch seine ständigen Sorgen um die Zensur, seine langjährige Rivalität mit Franz Pokorny, der 1845 das Theater an der Wien übernahm, und die Probleme, die ihm die Entwicklung des Geschmacks in der stets wachsenden Residenzstadt bereiteten, werden deutlich. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Brief, in welchem sie die Einstellung ihres Mannes zum „Vaudeville” zusammenfasst, jenem Genre, mit welchem er dem Verfall der Posse entgegenzuwirken versuchte.
Carl war für seine Geschäftstüchtigkeit bekannt, die vielfach als skrupellose Geldgier betrachtet wurde. Die vorliegenden Briefe tragen zu unserem Verständnis seiner Arbeitsweise bei. Darüber hinaus zeugen sie von der Spannung zwischen der Dramatikerin, die bemüht ist, ein möglichst hohes Honorar zu verlangen, und der Umsicht des erfahrenen und ebenfalls auf Profit bedachten Theaterdirektors.

 

 

Quodlibet 6

160 Seiten
13 x 21 cm
16 Farb- und 2 SW-Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag

ISBN 3-901749-37-3

Euro 19,90 / sfr 34,80

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Rezensionen

Peter Haida (Nestroyana 25/1–2)

Auf die in einem seiner Briefe gestellte Frage, ob man honoriger sein könne als er, hätten viele Zeitgenossen des Theaterdirektors Carl (eigentlich Carl Andreas Bernbrunn, 1787?–1854) ohne Zögern mit einem klaren Ja geantwortet. Denn sein Ruf unter den Zeitgenossen war unglaublich schlecht, was sich übrigens in der Einschätzung der Nachwelt fortsetzte, wenn nicht sogar steigerte. Von seinem Charakter hatte man eine sehr schlechte Meinung. Er galt als gewiefter Geschäftsmann, der skrupellos seinen Vorteil suchte, als Ausbeuter, Schinder seiner Schauspieler, denen er niedrige Gagen zahlte und die er, ebenso wie die Autoren, durch Knebelverträge an sich band. Doch muss man auch zugestehen, dass er vielen, die sich seinen Bedingungen gezwungenermaßen fügten, über Jahre hinaus sichere Arbeit bot. Er war ein umtriebiger Mann, selbst Schauspieler, Regisseur, Dramatiker, Arrangeur und geschickter Unternehmer, der alle Bedingungen des Theaterwesens wie Spielort, Ausstattungsaufwand, Schauspieler, Zensur, Wirkung bei Presse und Publikum stets im Auge hatte. Eine seiner gefeiertsten Rollen als Schauspieler war der Tischler Leim in Nestroys Lumpacivagabundus, wo er zusammen mit Nestroy und Wenzel Scholz das nachmals berühmte Komiker-Kleeblatt bildete.
Zeitweise leitete er drei Wiener Vorstadttheater und benötigte dafür eine große Menge von Stücken. Zu den wichtigsten Autoren, die für ihn schrieben, gehörte neben Nestroy auch Charlotte Birch-Pfeiffer (1800–1868), mit ca. 70 Stücken Deutschlands erfolgreichste Dramatikerin im 19. Jahrhundert, auch Schauspielerin und später in Zürich selbst Theaterdirektorin (1837–1843). In ihrem Nachlass fanden sich 46 Briefe, die die Verbindung zu Wien und dem Theaterunternehmerpaar Carl und seiner Frau Margaretha dokumentieren. Sie befinden sich in der Handschriftensammlung des Deutschen Theatermuseums in München und wurden jetzt erstmals in der von der Internationalen Nestroy-Gesellschaft herausgegebenen Reihe Quodlibet als sechster Band publiziert.
Die Briefe geben Zeugnis von einer geschäftlichen und freundschaftlichen Verbindung, die aus der Zeit datiert, da Carl als Schauspieler – später auch als Regisseur – am Münchner Isartor-Theater auftrat und das er seit 1820 als Direktor leitete und 1822 ganz übernahm. Sie wurde fortgesetzt, als Carl, inzwischen Theaterleiter in Wien, Birch-Pfeiffer 1828 zu guten Bedingungen für das Theater an der Wien als Schauspielerin engagierte. Dort begann sie mit dem Verfassen von Theaterstücken, schrieb sich selbst Rollen auf den Leib und lernte, in engem Praxisbezug mit der Bühne, einfach schematisierte, aber effektvolle Produkte für die Bühne herzustellen. Sie blieb bis Mitte 1830 in Wien und hatte in dieser Zeit auch bei anderen Theatern einen gewissen Bekanntheitsgrad als Autorin erlangt. Nachdem sie sich etabliert hatte, waren die Carl’schen Bühnen Theater in der Josefstadt, Theater an der Wien und das Theater in der Leopoldstadt – 1847 durch einen Neubau, das Carl-Theater, ersetzt – für sie nur noch zweite Wahl. Das lag sowohl an dem von ihr später bevorzugten Stücktypus, der mehr in Richtung Konversationsstück ging und nicht primär für das Volkstheater zugeschnitten war, als auch an ihrer Praxis, die Stücke zunächst den Hofbühnen anzubieten und dann erst auf anderen Theatern nachspielen zu lassen.
Weitaus die meisten der Briefe sind von Margaretha Carl geschrieben. Carl hatte die junge Hof-Schauspielerin Margaretha Lang in seiner Münchner Zeit kennen gelernt und 1813 geheiratet. Sie war also vom Fach, schrieb auch selbst und konnte bei dem geschäftlichen Teil der Briefe eigene dramaturgische Erfahrungen und Überlegungen einbringen. Sie war eine der besten Schauspielerinnen in Carls Ensemble, gab aber schon Mitte der zwanziger Jahre ihre Karriere auf, um Carl bei der Theaterarbeit zu unterstützen. Ihr hoher Anteil daran wird durch die Briefe deutlich.
Obwohl alle Briefe um Theaterangelegenheiten kreisen, unterscheiden sie sich nach ihren Urhebern. Margaretha zeigt einen spürbar persönlichen Anteil. Sie schreibt munter sprudelnd über Carls offensichtliche Aufträge hinaus auch von persönlichen Dingen und betont oft, wie gerne sie – trotz deren schlecht leserlicher Schrift – Briefe von Charlotte lese. Meist geht es um Absprachen über Projekte, Überlassung von Stücken, um Vorschläge von Sujets, Veränderungsvorschläge im Hinblick auf größere Publikumswirksamkeit oder auf die Zensur, deren Praxis hier einmal mehr deutlich wird. Oft kommt es auf einzelne Worte an. Statt Priester soll Birch-Pfeiffer „Gaugraf” schreiben, „Wegelagerer” statt „Räuber”; vermeiden soll sie die Wörter „Aufstand” oder „Rebellion”. Daneben gibt es auch viel Privates über Freunde, Familie, Kollegen und deren Schicksale, Theaterklatsch, bis hin zum Rezept für einen „Schweinsbraten”.
Wenn Carl selbst schreibt, spart er nicht mit übertriebenen Komplimenten an die Autorin, Versicherungen der Verehrung, Hochachtung und Bewunderung. Seine Briefe handeln meist von Honoraren und Honorierung. Was das Feilschen darüber betrifft, so sind er und die Autorin einander ebenbürtig. Charlotte Birch-Pfeiffer kennt ihren Marktwert und weiß, wie nötig Carl Stücke braucht – die Bitten danach werden nach 1850 noch drängender –, und fordert, ohne auf Carls Vorstellungen einzugehen, kalt das Honorar, das sie schon beim ersten Mal wollte. Carl dagegen bemüht sich schon im Vorfeld, höheren Forderungen vorzubauen: das in Rede stehende Drama sei zu einfach …, es werde gewiss kein „Cassa-Stück” werden wegen des unverständigen Publikums …, weil man die für den großen Erfolg notwendigen Schauspieler nicht habe etc. Im Übrigen werde er es natürlich mit der größten Sorgfalt inszenieren und für die reichsten Dekorationen wie auch für gute Kritiken sorgen. Tatsächlich ist er dafür bekannt, keinen Aufwand zu scheuen, wenn es darum geht, das Publikum durch Lichteffekte oder besondere Ausstattungsgegenstände in Staunen und Verblüffung zu versetzen, andrerseits kann er bei diesen Dingen auch ökonomisch-sparsam sein. Man hat ihm vorgeworfen, er pflege die Lokal-Posse hauptsächlich wegen der niedrigen Ausstattungskosten. Die Einführung der beiden Herausgeber macht jedoch klar, dass sowohl der Publikumsgeschmack der dreißiger Jahre als auch die Möglichkeiten des Ensembles ausschlaggebend dafür waren. Wie sehr er auf Wünsche des Publikums und auf Aktualität achtet, zeigt sich z. B., als er 1830 um ein Stück zur erwarteten Geburt des späteren Kaisers Franz Josef bitten lässt, für das er, sobald es durch die Zensur gelangt ist (denn das ist immer die Bedingung für die Annahme), 80 Gulden zahlen will.
Bei aller Härte als Verhandlungspartner beherrscht Carl den leichten Plauderton ironischen Schreibens, wobei auch die Selbstironie in Bezug auf sein Alter, seine lebemännische Neigung zu Frauen und seine unehelichen Kinder erwähnt werden. Mit Bezug auf die von ihr geforderten Honorare spricht er Birch-Pfeiffer mehrfach als „ theure Freundin” an. Auch die für das Buch titelgebende rhetorische Frage, ob jemand „Honoriger seyn” könne, spielt auf die Honorarfrage an und hat außerdem einen sexuellen Nebensinn, weil er verspricht, Frauen mit Küssen auf alle Körperteile, die „sie mir zu küssen gestatten” zu honorieren (Brief 42).

So gibt der Briefband mit einer Fülle von Details einen guten Einblick in die Wiener Vorstadttheaterverhältnisse – auch die Konkurrenz des Hofburgtheaters wird häufig erwähnt – und ist für den Interessierten sehr spannend zu lesen. Die beiden Herausgeber Birgit Pargner und W. Edgar Yates, beides ausgewiesene Kenner der Materie, haben sorgfältig ediert und kommentiert und geben umfassende Auskunft über vorkommende Personen, Stücke, Genres und Entwicklungen. Die Einleitung orientiert vorzüglich über das Umfeld und die theatergeschichtlichen Zusammenhänge; angereichert wurde sie durch weitere Dokumente aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Der beim Wiener Verlagsbüro Lehner erschienene Band ist gut ausgestattet, er enthält farbige Rollenbilder von Birch-Pfeiffer, Margaretha und Carl Carl, Abbildungen von Carls Theatern, Faksimiles von Handschriften und Theaterzetteln sowie ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis. Er vermehrt und bereichert unsere Kenntnis über das Wiener Volkstheater.

 


 

– Dr. Brigitte Dalinger  (Institut für Theaterwissenschaft an der Universität Wien)

Carl Carl (eigentlich: Carl Andreas Bernbrunn, 1787?-1854), Schauspieler und ebenso langjähriger wie umstrittener Theaterdirektor in München und Wien, seine Frau Margaretha Lang (1788-1861), eine beliebte Münchner Hofschauspielerin, die in Wien von der Bühne zurückgezogen lebte, und die Schauspielerin und später sehr erfolgreiche Dramatikerin Charlotte Birch-Pfeiffer (1800-1868) lernten einander am Münchner Isartortheater kennen. Carl hatte sich an diesem 1812 eröffneten Volkstheater rasch als Schauspieler und Regisseur etablieren können, war zum Hofschauspieler avanciert und heiratete 1813 die Opernsängerin und Hofschauspielerin Margaretha Lang. Im selben Jahr lernten die beiden Charlotte Birch kennen, die im Alter von 13 Jahren ihr Bühnendebüt am Isartortheater gegeben hatte und schon als Fünfzehnjährige in der Rolle der Johanna von Orleans zu sehen gewesen war. Neben ihrem festen Engagement von 1819 bis 1826 am Königlichen Hoftheater in München unternahm die junge Schauspielerin zahl- und erfolgreiche Gastspielreisen und heiratete 1825 den dänischen Gelehrten Christian Birch. Ihre vielen Abwesenheiten führten dazu, dass Birch-Pfeiffers Engagement in München nicht verlängert wurde, auch am Burgtheater in Wien konnte sie nach einem Gastspiel 1828 keine feste Anstellung erhalten. In dieser Situation nahm sie Carls Angebot eines Engagements am Theater an der Wien an, wo sie vom 1. Juli 1828 bis zum 30. Juni 1830 blieb.
Hier wirkte Birch-Pfeiffer in den gängigen Melodramen und Spektakelstücken mit, allerdings, so Birgit Pargner: „Bei Carl sollte sie sich [...] weniger als Schauspielerin denn als Dramatikerin entfalten, wobei Carl ihre Anfänge in diesem Metier entscheidend geprägt hat; denn unter seinem Einfluss auf die Texte schrieb sie erstmals außer Romanen auch Theaterstücke, die in enger praxisnaher Verbindung mit dem lebendigen Theaterbetrieb der größten Wiener Vorstadtbühne geschrieben und uraufgeführt wurden.” (S. 18) Charlotte Birch-Pfeiffer, die „bestverdienende Dramatikerin ihrer Zeit” (S. 19), lernte an Carls Bühne „das schnelle und schablonenhafte Fabrizieren von Theaterstücken, deren typische Kennzeichen stereotype Personenzeichnung und Handlungsführung [...] sowie eine überaus prunkvolle Ausstattung sind.” (S. 18) Im Theater an der Wien gingen ab 1828 erstmals Stücke von Birch-Pfeiffer über die Bühne, bereits 1830 waren sie in Berlin zu sehen und ab 1836 auch am Wiener Hofburgtheater. Ihre erfolgreichsten Theatertexte - Dorf und Stadt , Die Waise aus Lowood und Die Grille - entstanden in den 1840er und -50er Jahren und machten die Schauspielerin und Autorin, die sich auch Rollen auf den eigenen Leib schrieb, weit über den deutschsprachigen Raum hinaus bekannt.
Für Carl und Margarethe Carl war Charlotte Birch-Pfeiffer eine Kollegin und vielleicht auch eine Freundin, darüber hinaus aber auch eine äußerst interessante Bühnenautorin. Die 46 Briefe aus den Jahren 1828 bis 1853, die im vorliegenden Band erstmals ungekürzt veröffentlicht sind, belegen das Werben der in Wien ihre Theater betreibenden Carls um die erfolgreiche Dramatikerin. Die Briefe sind Teil des handschriftlichen Nachlasses Birch-Pfeiffers, der sich in der Handschriftensammlung des Deutschen Theatermuseums in München befindet. Die meisten Briefe wurden von Margaretha Carl verfasst, einige auch von ihrem Mann. Birch-Pfeiffers Repliken sind nicht erhalten, auf ihre Antwortbriefe wird manchmal in Margarethes Briefen Bezug genommen, auch finden sich kurze Notizen zu ihrer Antwort am Ende einzelner Briefe.
Die Briefe sind theaterhistorisch in mehrfacher Hinsicht interessant: in Hinblick auf Birch-Pfeiffers Textproduktion und Anspruch; als Beispiele für die Zensurpraktiken; in Hinblick auf die umstrittene Persönlichkeit Carl Carls; und als sozialhistorische Zeugnisse / Belege zu Fragen nach Arbeitsbedingungen von SchauspielerInnen oder auch zum Umgang mit Krankheit und Seuchen.
Die meisten der erfolgreichen Theatertexte Birch-Pfeiffers wurden nach literarischen Vorlagen verfasst, etwa Die Waise aus Lowood nach Charlotte Brontës (damals unter dem Pseudonym Currer Bell veröffentlichtem) Roman Jan Eyre . Aus den Briefen geht klar hervor, dass Birch-Pfeiffer permanent auf der Suche nach brauchbaren Vorlagen war, mit einer Ausdauer, die sogar Margarethe verblüffte. Sie regte an, die Briefpartnerin sollte eigene Stoffe entwerfen. Deutlich wird in den Briefen ferner die Sicht auf Birch-Pfeiffers „Gebrauchsdramatik” sowohl aus der Perspektive der Helfer wie Margarethe, die für die Autorin auf der Suche nach interessanten Stoffen war, als auch aus der Perspektive des Theaterdirektors Carl, der vor allem den Bühnenerfolg im Auge hatte und der Dramatikerin Ratschläge zu ihren Stücken gab und Umarbeitungen anregte.
Ein zentrales Thema in Zusammenhang mit den Stücken, die aufgeführt werden sollten, ist die Zensur und der Umgang damit. Zensuriert wurde alles, was Religion, Staat, Sitte und Moral auch nur im weitesten Sinne tangierte. Theaterdirektor (und Autor) Carl versuchte, Auseinandersetzungen mit dem Zensor von vorneherein aus dem Weg zu gehen; gelang das nicht, schrieb er selbst auch Birch-Pfeiffers Dramen geringfügig um, wie etwa im Falle des von der Zensur nicht freigegebenen Robert der Teufel , das durch die ebenfalls von ihm erfolgte Umbenennung in Robert der Tiger offensichtlich „gefahrlos” wurde. (Vgl. S. 59) Und nachdem Birch-Pfeiffers dramatische Bearbeitung des Glöckner von Notre-Dame nicht zugelassen worden war, gab Carl folgende Ratschläge zum Umgang mit der Zensur (von Margarethe formuliert): „Lassen Sie daher Ihre Feder nicht stocken! was Ihren neuen Plan betrifft, so erwiedert Carl, Falschmünzer gingen wohl, nur mö[ch]ten Sie statt Räuber, Wegelagerer sagen, und das Wort Aufstand, oder Rebelion vermeiden. Wenn die Sache auch vorkommt, wenn sie nur nicht bei Namen genannt wird.” (S. 83f.)
Aufschlussreich sind die Briefe ferner zur Einschätzung der Persönlichkeit Carl Carls, die in der Theatergeschichtsschreibung nach wie vor umstritten ist. Dass aber nicht nur er – und durchaus zum Vorteil seiner Ensemblemitglieder –, sondern auch die erfolgreiche Autorin Birch-Pfeiffer die materielle Seite ihres Berufes nicht vernachlässigten, wird ebenfalls deutlich. Für beide war Theater zweifellos ein Geschäft, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Korrespondenz über die Abgeltung von Birch-Pfeiffers Stücken von Carl geführt wurde, während Margarethe eher die Rolle einer Diskussionspartnerin und Freundin einnahm. Dennoch wird bei der Lektüre der Briefe klar, dass sie sowohl in intellektueller als auch administrativer Hinsicht intensiv mit ihrem Mann zusammengearbeitet hat und ihr Einsatz von ihm sehr geschätzt worden ist. (Vgl. S. 24)
Die edierten Briefe sind – wie aus den genannten Beispielen ersichtlich werden soll – in vielfacher Weise interessant. In der umfassenden „Einführung” sind detaillierte Angaben zu den Korrespondenten zu finden, darüber hinaus kann diese als kenntnisreicher Kurzbeitrag zur Theatergeschichte des 19. Jahrhunderts gelesen werden, der auch einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu den genannten Persönlichkeiten und ihrem Einflussbereich bietet. Über die historischen und akademischen Erkenntnisse hinaus bieten die Briefe eine faszinierende Einsicht in das Theaterleben des 19. Jahrhunderts aus der Perspektive derer, die es mitgestaltet haben.



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